Über die Pflicht zum Ungehorsam gegen den Staat (www.boox.bz) by Thoreau Henry David

Über die Pflicht zum Ungehorsam gegen den Staat (www.boox.bz) by Thoreau Henry David

Autor:Thoreau, Henry David [Thoreau, Henry David]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Neue Literatur
ISBN: 9783257604092
Herausgeber: Diogenes
veröffentlicht: 2015-01-12T16:00:00+00:00


[63] Die letzten Tage des John Brown

John Browns1 Laufbahn während der letzten sechs Wochen seines Lebens war wie die eines Meteors – eine helle Lichtspur in der Dunkelheit, in der wir leben. Ich kenne in unserer Geschichte nichts, was so wunderbar war.

Wenn, während dieser Zeit, in einem Vortrag oder in der Unterhaltung, beim Gespräch über die letzten Taten und Worte von John Brown jemand die alten Vorbilder des Heldentums dagegenhielt, Cato oder Teil oder Winkelried, so erschienen sie jedem intelligenten Publikum aus dem Norden schwach und zu weit hergeholt.

Was mich betrifft, so halte ich mich mehr an die Natur als an Menschen, doch jedes menschliche Ereignis, das einen wirklich berührt, macht unsere Augen blind für die Dinge der Natur. Ich war so von ihm gefesselt, daß ich überrascht war, wenn ich bemerkte, daß der alltägliche Lauf der Natur noch immer weiterging, oder wenn ich Leute traf, die unbekümmert ihren Geschäften nachgingen. Es kam mir seltsam vor, daß der kleine Taucher noch immer so ruhig in den Fluß hineinköpfte wie eh und je; man konnte daraus schließen, daß dieser Vogel hier vielleicht noch tauchen würde, wenn Concord längst nicht mehr besteht.

Ich hatte das Gefühl: wenn man ihn – einen Gefangenen inmitten seiner Feinde, einen zum Tode Verurteilten – nach seinem nächsten Vorhaben oder seinen weiteren Auswegen fragen würde, so könnte er klüger antworten, als alle seine Landsleute draußen. Er selbst verstand seine Lage am besten; er bedachte sie am ruhigsten. Mit ihm verglichen, waren alle anderen Menschen im Norden und im Süden nicht bei Sinnen. Unsere Gedanken konnten sich keinem größeren, klügeren und besseren Menschen zuwenden, denn er stand, zu seiner Zeit und an seinem Ort, höher als alle. Der, den dieses Land nun hängen wollte, war sein höchster und bester Mann.

[64] Jahre waren hier nicht nötig, um die öffentliche Meinung umzuwälzen; Tage, nein Stunden, bewirkten in diesem Fall einen bedeutenden Wandel. Fünfzig Menschen auf dem Weg zu einer Versammlung zu seinen Ehren, die bereit gewesen waren, seine Erhängung zu fordern, forderten sie nicht mehr, als sie herauskamen. Man hatte ihnen seine Worte vorgelesen; sie sahen den Ernst auf den Gesichtern der Versammlung; und vielleicht sangen sie schließlich mit den anderen die Hymne zu seinem Lob.

Das Verhältnis von Lehrer und Belehrten kehrte sich um. Ich hörte, daß ein Prediger, der zuerst schockiert und herablassend gewesen war, schließlich, nachdem man ihn gehenkt hatte, das Bedürfnis fühlte, über ihn eine Predigt zu halten, worin er ihm einen guten Nachruf widmete – wenn er auch feststellte, daß seine Tat ein Fehlschlag gewesen sei. Nach der Kirche fühlte ein einflußreicher Lehrer in der Abendschule sich bemüßigt, seinen erwachsenen Schülern mitzuteilen, daß er ursprünglich ebenso gedacht habe wie der Prediger vor seiner Wandlung, daß er nun aber denke, John Brown habe das Rechte getan. Aber selbstverständlich waren seine Schüler schon weiter als der Lehrer, der wiederum weiter als die Priester war; mit Gewißheit weiß ich, daß sehr kleine Jungen – mit einem Ton der Überraschung – schon zu Hause ihre Eltern gefragt hatten, warum denn Gott nicht eingegriffen habe, um ihn, John Brown, zu retten.



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